Fundstücke

Das patentierte Krokodil (Manfred Kyber)

[…] „Wie schön wäre jetzt ein Weißer!“, sagte das Krokodil und blinzelte in die Morgensonne. „Weiße sind zum Frühstück am besten, Neger sind besser zum Mittagessen, sie sind öliger und halten länger vor. Es ist ein Unterschied wie zwischen Huhn und Ente. Pikant sind Weinreisende, sie haben Wildgeschmack durch den Alkoholgenuß und sind meist gut im Stande.“
Das Krokodil lächelte wehmütig, wodurch sich der unangenehme Zug um den Mund noch verschärfte, so leid es mir tut, das zu sagen. „Nicht mal einheimische Küche ist zu haben“, fuhr das Krokodil fort und schluckte heißhungrig, „ich wäre schon mit Hausmannskost zufrieden, mit einem Neffen oder einer Nichte. Aber einen Teil hab‘ ich gegessen, die anderen sind flußabwärts geschwommen, man hat gar kein verwandtschaftliches Gefühl mehr heutzutage. Was nützt da der Appetit?!“ Und das Krokodil bettete seinen hungrigen Magen tiefer in den nassen Schlamm, machte die Augen resigniert zu und gähnte. Dabei hielt es nicht mal die Vordertatze vor den Mund; denn der Mund ist sowieso zu groß, und dann gibt das Krokodil überhaupt nicht viel auf Manieren. Ich werde dösen, dachte es – und es döste. Oben auf dem Dattelbaum botanisierte emsig und leise gurrend ein kleiner Makak. Es war ein sehr fröhliches Äffchen, und es freute sich permanent darüber, daß es ein Äffchen war und daß es überhaupt da war. Dazwischen turnte es ein wenig nach der Methode „Mein System“ oder „Wie bekomme ich den schönsten Schwanz, die längsten Arme und die kürzesten Beine?“. Dann setzte es sich auf einen Ast und suchte mit größter Aufmerksamkeit nach lästigen Ausländern in seinem Fell und exmittierte sie ohne Unterschied, Männer und Frauen und selbst zarte Kinder. Es war eine mühselige, aber ertragreiche und dankbare Arbeit. […]
aus: Kyber, Manfred: Das patentierte Krokodil. Gesammelte Tiergeschichten, Reinbek 2003, S. 12.


Als aktueller Hinweis auf die Verwendung des „lästigen Ausländers“ kann das Titelfoto von der 1991 von dem Arbeitskreis Stadtgeschichte herausgegebenen Dokumentation dienen:  „Wie lästige Ausländer…“ Flüchtlinge und Vertriebene in Salzgitter 1945-1953 bei. Der Titel bezieht sich auf die Entschließung der Vertrauensmänner der Flüchtlinge des Verwaltungsbezirks Braunschweig vom August 1947, in der es heißt: „Man nimmt uns stückweise das Mobilar wieder weg und behandelt uns auch sonst wie lästige Ausländer.“ (S.5)


Der Historiker Heinrich von Treitschke im Jahr 1898, der das herrschende Rechtsempfinden und die zeitgenössische Auffassung von Ausweisung formuliert:

„Mögen wir noch so viele Verträge schließen über internationales Privatrecht, immer ist der Vorbehalt: vorausgesetzt, dass uns ein Ausländer nicht lästig wird. Ausländer, die ihm lästig werden, muß ein Staat ausweisen können und zwar ohne Angaben von Gründen… (es) ist ein ganz vernünftiger Grundsatz, dass ein jeder Fremde sofort ausgewiesen werden kann mit der einfachen Erklärung: Du bist uns unangenehm.“ (Heinrich von Treitschke, Politik, Bd. 2, Leipzig 1898, S. 559 f. (Vorlesungen gehalten an der Universität zu Berlin, hg. von Max Cornicelius)